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Garmin Radar

Wie ich den digitalen Rückspiegel für mich sinnvoll nutze

Die Frage, ob ein Rücklicht 170€ wert sein kann, darf man durchaus stellen. Noch vor einem Jahr hätte ich da eine sehr klare Antwort für mich gehabt. Doch nachdem mir immer wieder positive und begeisterte Erfahrungsberichte über den Weg liefen, hab ich mich überwunden, das Gerät selbst mal auszuprobieren. Heute sage ich für mich, der Umstieg hat sich absolut gelohnt, wobei mit der Begeisterung auch ein wenig Entäuschung einherging.

Was ist ein Garmin Varia Radar?

Das Garmin Varia Radar ist, wie der Name vermuten lässt, ein Rücklicht mit integriertem Radar. Dieser Radar scannt während der Fahrt permanent die Straße hinter dem Rad und kündigt über den Radcomputer Fahrzeuge an, die sich von hinten nähern. Dabei hat es eine Reichweite von ca. 140 Metern. Sobald ein Fahrzeug erfasst wird, erscheint es als kleiner Punkt am Displayrand des Radcomputers. Mehrere Fahrzeuge werden als separate Punkte angezeigt und man sieht genau, wie schnell sie sich nähern. Wer sich das Ganze nicht so recht vorstellen kann, die Jungs von enjoyyourbike haben das sehr anschaulich dargestellt.

Macht es die Radfahrt sicherer?

Es ist schwer zu sagen, ob man durch den Einsatz eines Radars statistisch seltener in einen Verkehrsunfall verwickelt wird. Hierzu gibt es noch keine Studien schwedischer Wissenschaftler. Fakt ist aber, es macht es sehr viel komfortabler. Natürlich kann ich den Charakter anderer Verkehrsteilnehmer nicht durch ein Rücklicht beeinflussen, aber ich werde jetzt weniger übel davon überrascht. Wer kennt es nicht, wenn man bei Gegenwind nur weißes Rauschen im Ohr hat und pünktlich kurz vor der uneinsichtigen Kurve der gottvertrauende Autofahrer mit Röntgenblick von hinten zur Stelle ist. Mit dem Radar bin ich zumindest gewarnt, dass ich den Lenker festhalten muss. Aber auch abseits extrem gefährlicher Situationen lässt das Radar es zu, dass ich nur auf die Straße vor mir konzentrieren kann. Mittelspur zu fahren, wenn der Belag am Rand nur aus Schlaglöchern besteht oder in Zweierreihe zu fahren, ohne am Abend Halsschmerzen vom vielen Kopfumdrehen zu haben, eröffnen mir einen ganz neuen Komfort auf Touren. Messbar sicherer? Bisher nicht. Spürbar sicherer? Definitiv!

In Deutschland leider mit angezogener Handbremse

Leider schöpft Garmin nicht das volle Potential seiner eigenen Technologie aus. Das beginnt schon mit der sogenannten Halterung, die dem 170€-Rücklicht beiliegt. Mit einem kleinen Schnippsgummi soll das Radar fest am Rad moniert werden? Das funktioniert vielleicht an Aero-Sattelstützen, ansonsten muss der etwas angesäuerte Garmin-Kunde für 18€ eine richtige Halterung beim Hersteller kaufen.

Aber zurück zum Licht. In Deutschland ist es nicht StVO-konform, wenn ein Rücklicht blinkt. Jeder, der nachts aus schon mal so einem kleinen roten Blinklicht hergefahren ist, versteht das auch aus Radfahrersicht. In anderen Ländern ist die Gesetzeslage anders. Hier vertreibt Garmin ein baugleiches Gerät (RTL 515), das in meinen Augen das Fahren damit noch sicherer macht. Wenn sich ein Fahrzeug schnell von hinten nähert, dann wechselt das Licht vom Dauerleuchten zu einem Blinken, was für mehr Aufmerksamkeit beim Überholenden sorgt. Wenn sich ein Fahrzeug hinter dem Rad mit gleicher Geschwindigkeit bewegt (z.B. Auto, dass gerade nicht überholen kann, so stellt sich das Radar auf sein normales Dauerleuchten oder aus (je nach Einstellung). Durch diese Funktion wird der Verkehr sicherlich nicht beeinträchtigt, aber die Aufmerksamkeit im richtigen Moment erhöht. 

Bevor ich euch erzähle, wie ich mir mein Garmin mit zusätzlichen Nicht-Garmin-Apps optimiert habe, hier erstmal zu den Sachen, die mit Bordmitteln funktionieren, aber nicht ganz offensichtlich sind. Ich nutze das RTL 516 mittlerweile auch auf Langstrecken als mein Hauptrücklicht. Da ich auch tagsüber nicht auf das Radar verzichten möchte, stellte sich mir immer die Frage, wie ich die Akkulaufzeit möglichst hochhalten könnte. Tagsüber benötige ich nicht unbedingt ein Rücklicht. Das lässt sich mittlerweile direkt am Gerät umsetzen, da es durch ein kurzes Drücken des Ein-Aus-Schalters nicht in einen völligen Standby ohne Radarfunktion verabschiedet, sondern tatsächlich nur die LED ein-ausgeschaltet wird und die Radarfunktion erhalten bleibt. (Bei Garmin steht da noch anderes) Das heißt, ich kann auch nur das Radar ohne eigeschaltetes Rücklicht verwenden. Die Akkulaufzeit verdoppelt sich dadurch nicht, aber ich kam bei dieser Nutzungsart auf ca. 12 Stunden (davon aber 2 Stunden mit eingeschaltem Licht). Aber für mich heißt das, weniger laden unterwegs. Apropos laden: Das coole am Rader ist, dass ich es auch während des Betriebs (während der Fahrt) laden kann. Die meisten Rücklichter schalten sich ab, sobald ein Ladestrom fließt. Das Radar läuft bei mir von Tourbeginn bis Ende non-stop.

Licht über Shimano-Schaltung ein- und ausschalten

Tagsüber ist das Rücklicht meist aus. Es gibt aber auch Streckenabschnitte, wo ich selbst in der hellsten Mittagssonne lieber mit Rücklicht fahre (mal abgesehen von Tunnelpassagen). Das Licht lässt sich über den Ein-Aus-Schalter auch während der Fahrt steuern, das ist aber etwas Gefummel und kann auf Kopfsteinpflaster schwierig werden. Nach etwas Gefummel hab ich herausgefunden, dass das Ganze auch über die Di2-Steuerung am Edge funktioniert. Dort lassen sich die Knöpfe an den Schalthebeln belegen. Das findet sich am Edge unter Sensorinformationen/Di2/Di2-Tasteneirichtung. Dort kann man die Funktion „Licht an/aus“ zuordnen. Ein etwas verstecktes Feature, das ich sehr nützlich finde. Jetzt kann ich das Rücklicht einfach schalten (während das Radar weiterhin aktiv bleibt), in dem ich das Knöpfchen am Schalthebel kurz gedrückt halte – funktioniert perfekt. Wie ich die Di2-Steuerung über Blutooh am Edge für mich sinnvoll nutze, kommt in einem anderen Post.

Externes Datenfeld „Smart Bike Lights“ schafft Abhilfe

Anfangs schon erwähnt, ist die deutsche Radar-Version RTL16 StVO-konform und darf nicht blinken, wenn ein Auto kommt (oder sonst irgendwann). Aber es darf aufleuchten, wenn ein Auto kommt. Zum Glück gibt es viele findige Köpfe, die sehr engagiert an Lösungen von Problemen arbeiten und das dann sogar der Allgemeinheit zur Verfügung stellen. Auch auf Garmin-Geräte gibt es zahlreiche Apss, die den Funktionsumfang sinnvoll ergänzen oder auch erst richtig das volle Potential ausnutzen. 

Mit dem Datenfeld „Smart Bike Lights“ lassen sich vielfältige Anpssungen am Garmin vornehmen. Im Grunde lassen sich, vereinfacht gesagt, Trigger einstellen, die das Licht am Radar steuern.

So ein Trigger kann zum Beispiel die Uhrzeit sein:

Sonnenuntergang => Licht an, 

Sonnenaufgang => Licht aus. 

Man muss sich nicht mehr ums Ein-und Ausschalten kümmern während der Fahrt.

Aber eben kann der Trigger auch sein:

„Radar erfasst ein Fahrzeug“ => Licht an!

„Fahrzeug ist vorbei“ => Licht aus. 

Und schon hat man einen StVO-konformen Ersatz für die verbotene Blinkfunktion. 

Oder:

„Geschwindigkeit sinkt sehr schnell“ => Licht an! 

Und schon hat mein ein GPS-gesteuertes Bremslicht.

Es gibt noch viel mehr Paramter, die man nutzen kann, um das Radar zu steuern. Das Einzige, was ich noch nicht gefunden habe, ist den Helligkeitssensor vom Edge als Trigger zu nutzen. Heißt, vor einem Tunnel müsste ich das Licht noch manuell einstellen. Aber das kann ich ja zumindest, ohne den Lenker loszulassen.😉

Die Einrichtung des Datenfeldes ist nicht ganz trivial, aber auch keine Raktenwissenschaft.

Hier die nötigen Schritte in Kurzversion:

 

  1. Datenfeld „Smart Bike Lights“ über IQ-Store auf Garmin installieren
  2. Datenfeld auf Garmin auf irgendeiner Datenseite platzieren
  3. Konfiguration über diese Website erstellen und in Zwischenablage kopieren
  4. Einstellung des „Smart Bike Lights“- Datenfeldes auf Telefon öffenen
  5. Konfiguration unter (Primary) „Lights Configuration“ aus  Zwischenablage einfügen
  6. Checken, ob am Garmin in den Datenfeldeinstellungen der Control Mode „Smart(S)“ ausgewählt ist und unter Setting das Preset  „Primary“ aktiv ist. Ihr könnt 3 verschiedene Presets in der App erstellen

Hier ist meine fertige Konfiguration für das Garmin Edge 530 mit folgenden Funktionen:

  • automatischen An-Aus getriggert vom aktuellen Sonnenauf- und Untergang
  • Bremslichtfunktion
  • Licht an, wenn sich Fahrzeug von hinten nähert, dann wieder aus (tagsüber)
  • Durch drücken des An-Aus-Schalters am Radar lässt sich jederzeit manuell eingreifen

CODE:

###0,4096#4,4!BRAKE:1:4:0:0A[-10!Car:1:4:0:0I[300]0!Night:1:4:0:0Es-3600,r3600!:1:0:0:0D=1##2:Varia 516!Off:0!Solid:4#0::#0:0#B3121##8#0#0

Wer es genauer Wissen wissen möchte, findet eine ausführliche englische Dokumentation direkt auf dieser Website.

Hier meine Konfiguration in Screenshots

Auf der Website könnt ihr auch meinen Code von oben importieren und anschließend für euch anpassen. Auf der Seite unten wird dann der aktuelle Code für euch ausgespuckt. Den müsst ihr so übers Telefon in die Datenfeldeinstellungen kopieren.

Die Funktionen werden im wesentlichen über Filter generiert. In meinem Fall habe ich sie „BRAKE“, „Car“ und „Night“ genannt und wie folgt konfiguriert. „Force Smart Mode“ habe ich deaktiviert, damit ich jederzeit manuell die Steuerung am Gerät selbst übernehmen kann, falls die Technik doch mal versagen sollte. Das ist bisher aber noch nicht passiert.

 

 

 

Automatisches Einschalten bei Nacht /Ausschalten bei Sonnenaufgang

Ich habe jeweils eine Stunde Off-Set eingestellt. Das heißt, das Licht geht schon eine Stunde vor Sonnenuntergang an und erst eine Stunde nach Sonnenaufgang aus.

 

 Bremslicht

Wenn die über GPS gemessene Verzögerung 10% übersteigt, leuchtet das Licht auf.

Vorsichtssignal an Fahrzeuge hinter dem Rad

Damit leuchtet das Garmin auch tagsüber auf, sobald eine Fahrzeug vom Radar erfasst wird. Ist das Fahrzeug vorbei, geht das Licht wieder aus.

Mein Fazit

Damit ist das Radar jetzt wirklich smart und ich kann mich voll auf die Fahrt konzentrieren, mit allem Komfort, den das Radar bietet. Unterm Strich halte ich das Radar für ein Spitzenprodukt, das aber vom Hersteller nur mit angezogener Handbremse ausgeliefert wird. So könnte man auch das enorme Potential der Garmin-Nutzerdaten nutzen, um die eigen Kartendaten mit Mehrwert anzureichern. Die externe App „Bike Radar Traffic“ erfasst zum Beispiel spannende Statsitiken, wo, wann und wie viele Fahrzeuge mit welcher Geschwindigkeit den Radfahrer überholen. Im Einzelfall eher was für Daten-Nerds, aber als Big Data ließen sich die von den vielen Radar-Nutzern ermittelten Verkersdaten von Garmin zur Prognose über Verkehrslagen verwenden. Das könnte ein Killerfeature für Heatmaps sein, gibt es aber leider nicht – noch nicht🤔.

Stattdessen verkauft Garmin das Radar jetzt mit integrierter Dashcam (RCT716). Die 5 Stunden Akkulaufzeit sind dann doch aber eher nichts für mich :-).

Wenn ihr erfahren wollt, wie ich Wegpunkte für Kontrollstellen und Verpflegungsstationen erstelle, damit ich sie auf dem Garmin sehen kann, lest diesen Beitrag. 

Über mich

Über mich

Martin Lechtschewski

Randonneur & Blogger

Hi, ich bin Martin und das Radfahren ist eine der wichtigsten Konstanten in meinem Leben. Die Faszination für Abenteuer hat mich zunächst zum Radreisen gebracht. Damals rollte ich noch behäbig über Tage bis Wochen mit 40 Kilo Gepäck über die Straßen Europas. Dabei war es immer diese eine Frage, die mich antrieb, weiter in die Pedale zu treten: "Wie ist es wohl auf den Sattel zu steigen und aus eigener Kraft eine anfangs scheinbar unwirkliche Entfernung zu überwinden, hohe Berge zu bezwingen, fremde Länder zu durchqueren und verschiedensten Menschen zu begegnen?"

Heute kann ich sagen, es ist vor allem eine Begegnung mit sich selbst. Der Moment des Starts und das Erreichen des Zieles spielen am Ende nur Nebenrollen -  Es geht vor allem um die Wege dazwischen.

Da es der Alttag nicht ohne weiteres zulässt, 5-6 Wochen am Stück auf dem Rad zu verbringen, landete ich schließlich beim Renndradfahren auf langen Strecken mit möglichst wenig Gepäck. Statt einen Monat bin ich dabei nur ein paar Stunden (bisher nicht mehr als 86) unterwegs und tauche schon mit der ersten Pedalumdrehung ins Abenteuer ein. Heute sagt man dazu Ultracycling, vielleicht auch Bikepacking

Mir geht es um DIE WEGE DAZWISCHEN