Jeschken im Mondlicht
Route auf KomootVorbereitung auf Paris
Frühling – Die Blumen blühen, der Giro läuft und auch die Brevets orintieren sich allmählich gen Langstrecke. Am vergangenen Samstag stand für mich der 400er der ARA Dresden auf dem Speiseplan und damit auch die erste Nachtfahrt, denn die 6700 Höhenmeter waren bei einem 8:00 – Uhr – Start nicht bei Tageslicht fahrbar. Die Wettervorhersage war ok, der Wind aus Osten war nicht optimal, dafür waren die Vorraussetzungen, relativ trocken zu bleiben, recht gut.
Gemeinsam mit Anne starte ich am Samstagmorgen nach Heidenau. Aus Solidarität hat sie beschlossen, auch eine lange Strecke auf eigene Faust unter die Räder zu nehmen und sich am Vorabend schnell einen Track aus Heidenau nach über Chemnitz nach Leipzig geplant. Nach einem kurzen Meet and Greet an der Radrennbahn rolle ich zunächst mal entspannt mit einer Gruppe los. Angesichts des Gegenwindes will ich nicht gleich wie die letzten Male allein losballern, da mir klar ist, dass da noch ein paar Höhenmeter kommen. Die Gruppe ruckelt sich auf den ersten Kilometern erstmal zurecht, irgendwann kommt Björn von hinten herangekullert. Es plaudert sich entspannt dahin. Dann schließt auch noch Mort zu uns auf. Beide nutzen den 400er als Trainingseinheit für das Race through Poland. Über Stolpen Richtung zunächst Richtung Zittau. Das Profil verhält sich bis dato recht klassisch – heißt wellig, aber noch nicht wirklich bergig. Da bisher alle sehr entspannt fahren, ich aber an den Anstiegen gern etwas drücken möchte, bin ich bald zunächst wieder allein unterwegs. Irgendwo vor mir muss noch ein Mitstreiter sein. Als die Geografie das Blickfeld nach vorn freigibt, sehe ich den Solisten kurz vor Zittau vor mir auftauchen. Allmählich nähere ich mich. Vielleicht klappt es ja mit dem Duett. Kurz hinter der polnischen Grenzen habe ich aufgeschlossen und wir rollen ein Stück gemeinsam auf einer zugegebener maßen nicht besonders radfahrerfreundlichen Straße. Es soll aber eine der wenigen Ausnahmen auf dem sonst sehr schön geplanten Track sein. Wobei man hier mit der Formulierung „schön“ etwas aufpassen sollte, denn vertialen Asphalt muss man schon mögen, wenn man bei einem Dresdner Brevet antritt. Hier kommen die Kletterer absolut auf ihre Kosten, aber es gibt sicherlich einfachere Wege, wenn es einem nur um die Quali für PBP geht.
Wieder im Solo
Nach einem mäßigen Anstieg habe ich meinen Mitstreiter zwischenzeitlich verloren, aber kurz nach der Abfahrt habe ich mir eine Tankstelle eingeplant, die etwas abseits des Tracks liegt. Meine Flaschen sind bereits leer, also bleibe ich bei meinem Plan und biege kurz ab. Bis zur nächsten Kontrolle ist es nur noch ein Kilometer. Nachdem ich meine Flaschen wieder befüllt habe, rolle ich in die zweite Kontrolle. Dort treffe ich wieder auf die Gruppe, die während meiner Tank-Pause an mir vorbeigerollt ist. Gemeinsam geht´s zügig weiter. An den Anstiegen lasse ich mich mit Björn etwas zurückfallen. Wir plaudern sie hoch. Wie vorhergesagt, bekommen wir jetzt leichten Regen ab, aber alles bleibt im erträglochen Bereich. Eine Regenjacke wird nicht nötig. In beschließt die Gruppe, eine Pause einzulegen. Da ich damit schon durch bin, rollle ich erstmal wieder allein weiter.
Der Anstieg nach Mala Upa lässt mein Randinneurs-Herz höher schalgen. Das Wintersportgebiet ist ausgesprochen ruhig. Für die Skifahrer ist es bereits zu warm für die Wanderer noch zu kalt, für den Randonneur perfekt. Um 15:00 Uhr stehe ich oben und ziehe mir kurz die Weste üper, bevor ich mich in die technische einfache Abfahrt begebe. Unten im Tal steuere ich die nächste Tanke an. Flachen füllen vor einem harten Anstieg ist immer eine gute Idee. 🙂
Und der Anteig, der als nächstes kommt, ist tatsächlich ein Brett. Von Velka-Upa aus geht es hoch zur Lucni Bouda – 11 Kilometer, 800 Höhenmeter mit Rampen, das man sich eine MTB-Übersetzung wünscht. Gefühlt im Schneckentempo krieche ich den schmalen Asphaltstreifen durch den Wald empor. Trotz der kühlen Temperaturen und der zunemenden Schneereste am Wegesrand tropft der Schweiß unaufhörlich auf mein Oberrohr. Auf der Hochebene angekommen, schneidet sich die Straße spektkulär durch Schneefelder. Ob die kurzen Handschuhe für die Abfahrt reichen werden? Auf dem Rückweg von der Loucni Bouda treffe ich noch Mort und Björn. Von dem Rest der Gruppe keine Spur. Da es mir allerdings etwas frisch auf der Hochebene ist, habe ich keine Pause in der von Björn angebriesen Baude gemacht, sondern möchte mir lieber etwas unten im Tal in wärmeren Gefilden suchen. Die ersten Kilotemter in der Abfahrt sind kein Spaß mit Kurzfingerhandschuhen, aber mit jedem verlorenen Höhenmeter wird es wieder etwas erträglicher. Unten im Tal habe ich eine Tanke auf meiner Liste. Hier gibt es tatsächlich ein kleines Bistro. mit warmen Speisen. Während ich mit Blick auf die Zapfsäulen mein Schnitzel genieße, trudeln Björn und Mort ein. Auch sie hatten keine Lust, oben auf der Baude zu pausieren. So treffen wir uns wieder zum Abendessen an der Tanke. Nachdem der Hunger gestillt ist, brechen wir gemeinsam zur Weiterfahrt auf. Mort hat ordentlich Zug auf der Kette. Björn und ich fahren die Anstiege mit deutlich weniger Power hoch. Über das hüpgelige Profil geht es zur letzten größerern Herausforderung der Runde – dem Jeschken. Mein Plan, ihn noch bei Tageslicht zu erreichen, erweist sich als zu optimistisch.
Gemeinsam durch die Nacht
Im Licht unserer Scheinwerfer kurbeln Björn und ich gemächlich nach oben, Mort ist wahrscheinlich schon oben und trinkt einen Cappuccino.
Halb 10 erreichen wir schließloch den Gipfel mit seinem markanten Turm. Da es allerdings recht stark windet, bleibt es ein sehr kurzer Besuch. Ab hier kommen mir die Straßen immer wieder bekannt vor. Im letzten Jahr hatte ich von Dresden einen Tagesausflug zum Jeschken und zurück unternommen. Jetzt kann es also nicht mehr soweit sein. Noch etwas mehr als 100 Kilometer, aber die sind nachts recht unspektkulär. Gegen 1 Uhr überqueren wir die Grenze und machen uns auf den Zielsprint nach Heidenau. So wie Mort drückt, kann er es kaum erwarten, die Soljanka zu löffeln. Aber ich glaube, da geht es uns allen gleich.
Was für ein Ritt. Die Dresdner Brevets sind mit Sicherheit nicht die leichteste Fahrkarte nach Paris, aber danach kommt einem Frankreich sehr flach vor.
Tour
Details
- Anspruch (Gesamt) 40%
- Klettern 25%
- Abwechslung 70%
- Untergrund 90%
- Mentaler Anspruch 25%
Obwohl die Strecke auf recht großen Straßen verläuft, ist sie über weite Teile recht verkehrsarm. Viele Burgen und Fachwerk säumen den Weg.
Über mich
Martin Lechtschewski
Randonneur & Blogger
Hi, ich bin Martin und das Radfahren ist eine der wichtigsten Konstanten in meinem Leben. Die Faszination für Abenteuer hat mich zunächst zum Radreisen gebracht. Damals rollte ich noch behäbig über Tage bis Wochen mit 40 Kilo Gepäck über die Straßen Europas. Dabei war es immer diese eine Frage, die mich antrieb, weiter in die Pedale zu treten: "Wie ist es wohl auf den Sattel zu steigen und aus eigener Kraft eine anfangs scheinbar unwirkliche Entfernung zu überwinden, hohe Berge zu bezwingen, fremde Länder zu durchqueren und verschiedensten Menschen zu begegnen?"
Heute kann ich sagen, es ist vor allem eine Begegnung mit sich selbst. Der Moment des Starts und das Erreichen des Zieles spielen am Ende nur Nebenrollen - Es geht vor allem um die Wege dazwischen.
Da es der Alttag nicht ohne weiteres zulässt, 5-6 Wochen am Stück auf dem Rad zu verbringen, landete ich schließlich beim Renndradfahren auf langen Strecken mit möglichst wenig Gepäck. Statt einen Monat bin ich dabei nur ein paar Stunden (bisher nicht mehr als 86) unterwegs und tauche schon mit der ersten Pedalumdrehung ins Abenteuer ein. Heute sagt man dazu Ultracycling, vielleicht auch Bikepacking.
Mir geht es um DIE WEGE DAZWISCHEN