Rennrad als Paar
Teil 1 - Kopfsteinpflaster„Wie macht ihr das eigentlich, dass ihr so oft gemeinsame Touren auf dem Rennrad macht und immer noch ein Paar seid?“
Es eine der Fragen, die nicht nur bestehende Rennrad-Couples interessiert, sondern auch die, die es vielleicht noch werden (wollen). Das Radfahren ist ein wundervoller Pärchensport, weil man Zeit zusammen verbringt und dennoch genug Momente für sich selbst hat. Anne und ich möchten es auf gar keinen Fall mehr missen als gemeinsames Ding und gleichzeitig gab es gerade zu Beginn unserer gemeinsamen Radzeit ein paar kleine Fallstricke. Möge unser Umgang mit Routenplanung, Anstiegen, Kaffeepausen und Windschatten auch für euch eine Inspiration sein, die großartige Leidenschaft im Sattel gemeinsam zu erleben. Denn all die Erinnerungen und Geschichten an epische Anstiege, surreale Sonnenaufgänge und die leckersten Tankstellenkartoffelchips der Welt sind noch schöner, wenn man sie gemeinsam erzählen kann. Und so findet ihr in dieser kleinen Blog-Serie und ganz im Sinne der Transparenz verschiedene Perspektiven auf das Thema. Das ist …
Teil 1 – Aller Anfang ist Kopfsteinpflaster
Es war ein einziger kurzer Satz, mit dem alles begann – hervorgetragen mit einer Kraft, die keinen Zweifel an der Überzeugung aufkommen ließ, von der er getragen wurde. „Ich wünsche mir ein Rennrad.“, sagte Anne zu mir. Das war 2019 und wir waren gerade von meiner zweiten Teilnahme bei Paris-Brest-Paris zurückgekehrt. Anne hatte mich begleitet, wusste, was es mit diesen langen Radfahrten durch die Nacht auf sich hatte. Immer wieder hatte sie mich dabei unterstützt und bestärkt. Aber unsere gemeinsamen Radausflüge hatten sich bis dato größtenteils auf ein paar Fahrten durch die Stadt beschränkt. Wollte sie jetzt tatsächlich selbst eintauchen in die Welt auf zwei schmalen Reifen?!
Im ersten Momente glaubte ich mich verhört zu haben und schob es auf meinen Schlafentzug während der durchgefahrenen Nächte von Paris zum Atlantik und zurück. Und so fragte ich vorsichtshalber noch einmal nach. Die Antwort blieb die selbe. Das Erleben der vom Miteinander geprägten Randonneurs-Kultur in Frankreich hatte sie irgendwie infiziert und so standen wir Mitte September in den Ausstellungsräumen eines grossen Radhandels und suchten nach einem passenden Modell als Einstieg.
Irgendwie erfüllte mich Annes plötzliche Wunsch mit großer Freude. Ich malte mir aus, wie wir gemeinsam die legendären Passstraßen aller Länder erklimmen würden, wie wir Nächte durchpedalieren würden von Sonnenuntergang bis Sonnenaufgang: Frische Luft, gemeinsame Abenteuer und vielleicht ein bisschen Händchenhalten an der roten Ampel. Klingt doch romantisch, oder?
Um es vorwegzunehmen – alles das (bis auf das Händchenhalten an der Roten Ampel) ist auch Wirklichkeit geworden. Nur war der Weg dorthin nicht mit Flüsterasphalt überzogen, sondern ich wählte die Route über die holprigen Kopfsteinpflaster-Sektoren ala Paris-Roubaix. Denn auf den Kauf der Grundausstattung folgte ein Crashkurs in Beziehungspsychologie – gepaart mit der brutalen Realität des Leistungsunterschieds.
Kaltstart ins Gebirge
Nachdem wir die ersten wundervollen Testkilometer im Elbtal gemeinsam hinter uns gebracht hatten, wuchs Annes Euphorie, den Radius zu erweitern und so schlug sie mir nach den ersten paar Touren auf dem Rennrad in flacheren Gefilden vor, wir können doch zusammen von Dresden nach Altenberg fahren (1000 Höhenmeter auf den ersten 50 Kilometern). Ich kannte die Strecke und nickte. Das war dann schon Mal der erste FAIL in unserer „Radbeziehung“. Noch bevor wir den Gipfel der Tour erreichten, näherten wir uns dem Gipfel der Eskalation. Anne war nicht so weit – Noch nicht. Das hätte mir klar sein können. Ob es ein innerer Stolz oder falscher Ehrgeiz war, kann ich nicht sagen. Was ich allerdings schon sagen kann, dass mein motivierend gemeinter Spruch im Anstieg, dass es nicht mehr weit sei, das Benzin im Feuer war und als ob das nicht schon genug gewesen wäre, folgte kurz darauf eine heftige Rampe, die nicht nur Rennradübersetzung an die Grenzen trieb. Hätte Anne in Altenberg das Rad in den Graben geworfen und und das Taxi heim genommen, ich hätte es verstanden. Ich weiß nicht mehr genau, wie, aber irgendwie sind wir wieder nach Dresden gekommen. Gesprochen wurde dabei nicht mehr viel.
Ein Pass kommt selten allein
Aber Anne blieb auf dem Rad sitzen und es folgten viele epische gemeinsame Momente. Die Strecken wurden länger und bald hatten wir das Dresdner Umland gut erkundet und die erste gemeinsam Langstrecken-Nonstop-Fahrt von Dresden nach Frankfurt gemeinsam hinter uns gebracht. Gemeinsam durch die Nacht und anschließend in den Sonnenaufgang zu fahren hat etwas magisches. Da sind die lausigen Kartoffelchips, die man sich mangels Alternativen nachts auf dem Portstein sitzend vor dem Nachtschalter der Tankstelle teilt, plötzlich viel romantischer als Händchenhalten an der roten Ampel.
Und irgendwann dann der erste gemeinsam Radurlaub nach Südtirol an und ich übernahm gleich nach unserer Ankunft die erste Routenplanung. Altenberg war schon eine Weile her und man könnte meinen: „Ok, das war damals zu viel, verstanden.“ – Aber weit gefehlt! Und so fuhren wir gleich am Tag unserer Ankunft in Südtirol einmal den Mendelpass hoch und auf der anderen Seite wieder hinunter (FAIL für den Einstieg). Einmal wieder unten im „anderen Tal“ wartete nur noch ein „Hügel“ auf uns. Darf ich vorstellen – Der Gampenpass. Nicht genau das, was man sich vielleicht als einen lockeren Einstieg in den Pärchenurlaub so vorstellt. Als uns klar wurde, dass hier „Altenberg“ eine würdige Fortsetzung in Sachen Fail in der Tourenplanug finden würde, wurde wieder sehr wenig gesprochen. Aber natürlich kam es noch „besser“. Mitten im Anstieg zum Gampenpass sollte die Strasse erneuert werden. Dazu hatte man schon mal den glatten Asphalt abgetragen. Und so vibrierten wir weiter wortlos über immer rauer werdenden Belag. Hier tat sich eine Parallel zur Stimmung auf. Ich erinnere mich nur an den einen Satz von Anne, der die Stille kurz durchbrach: „Wenn das jetzt 10 Kilometer so weiter geht, raste ich nach 2 Kilometern aus!“ Gerade wollte ich sie auf das Paradoxon in dieser Aussage ansprechen, aber manchmal ist es besser, zu schweigen. Am Abend konnten wir zwar etwas darüber schmunzeln, aber die gemeinsame Tourenplanung übernimmt seitdem Anne.
Fazit
Die gemeinsame Strecke muss für beide von euch gut fahrbar sein. Also nehmt nicht nur eure eigene Verfassung als unterbewusste Grundlage, sondern auch die eures Partners. Klingt trivial, ist aber essentiell, wie ich es auf die harte Tour lernen durfte und heute gern nochmal anders machen würde. Wir haben wir mittlerweile eine Mega-Variante gefunden, die uns beide trotz unterschidelicher körperlicher Vorraussetzungrn gleichermaßen fördert und das gemeinsame Erlebnis dennoch erhalten bleibt. Wie wir das anstellen, lest ihr demnächst in Teil 2 von Rennradfahren als Paar.

Über mich

Martin Lechtschewski
Randonneur & Blogger
Hi, ich bin Martin und das Radfahren ist eine der wichtigsten Konstanten in meinem Leben. Die Faszination für Abenteuer hat mich zunächst zum Radreisen gebracht. Damals rollte ich noch behäbig über Tage bis Wochen mit 40 Kilo Gepäck über die Straßen Europas. Dabei war es immer diese eine Frage, die mich antrieb, weiter in die Pedale zu treten: "Wie ist es wohl auf den Sattel zu steigen und aus eigener Kraft eine anfangs scheinbar unwirkliche Entfernung zu überwinden, hohe Berge zu bezwingen, fremde Länder zu durchqueren und verschiedensten Menschen zu begegnen?"
Heute kann ich sagen, es ist vor allem eine Begegnung mit sich selbst. Der Moment des Starts und das Erreichen des Zieles spielen am Ende nur Nebenrollen - Es geht vor allem um die Wege dazwischen.
Da es der Alttag nicht ohne weiteres zulässt, 5-6 Wochen am Stück auf dem Rad zu verbringen, landete ich schließlich beim Renndradfahren auf langen Strecken mit möglichst wenig Gepäck. Statt einen Monat bin ich dabei nur ein paar Stunden (bisher nicht mehr als 86) unterwegs und tauche schon mit der ersten Pedalumdrehung ins Abenteuer ein. Heute sagt man dazu Ultracycling, vielleicht auch Bikepacking.
Mir geht es um DIE WEGE DAZWISCHEN
Wieder schön geschrieben. Ich freue mich auf Teil 2
Liebe Grüße Jenny von Komoot
Vielen lieben Dank, Jenny.
Teil 2 kommt 🙂