Wie rollt es in der Schweiz?
Zwischenbericht nach 6 MonatenEin halbes Jahr leben wir jetzt schon in unserm neuen Zuhause in St. Gallen. Zeit für einen kleinen Zwischenbericht zu meinen Eindrücken auf Straßen, Wegen und dazwischen – und auch, was 2025 Großes kommen darf. Auch wenn mir der das Erzgebirge und die sächsische Schweiz schon ein wenig fehlen, setzt die Schweiz, was die Trainingsbedingungen angeht, ganz andere Massstäbe. Manchmal schaue ich auf die surrealen Berge vor der Haustür. War der Hausanstieg bis dato doch die Dresdner Grundstraße (sie würde hier wohl gemeinhin als „Asphaltblase“ durchgehen).
Alpenpässe- Arenen der Rennradfahrer
Kaum ein Land bietet eine so dichte Ansammlung legendärer Pässe wie die Schweiz. Gotthard, Furka, Grimsel oder Nufenen, Klausen, Bernardino, Pragel – Das sind nicht nur Namen, die das Radsportherz höher schlagen lassen. Dahinter verbergen sich nicht nur epische Kulissen und stille Zeugen des Leidens, derer, die sich entschließen, sie allein mit Muskelkraft zu bezwingen. Das Leiden tritt je nach Eigenschaften des Leidenden mal ebenso still auf und mal in Form von lauten animalisch anmutenden Lauten, die nur entfernt an die menschliche Sprache erinnern. Für mich ist diese Balance zwischen Leiden und Genuss der Punkt, an dem ich ganz bei mir bin.
Perfekte Infrastruktur: Von Straßen und Zügen
Das Straßennetz ist top gepflegt, und die Autofahrer sind zumeist sehr rücksichtsvoll (mit einigen Ausnahmen im Berufsverkehr – die so eher „Sebnitz-Style“ fahren). An vielbefahrenen Talstraßen gibt es fast immer einen Radweg oder Radstreifen. Von unserer Basis in St. Gallen sind die ersten ernstzunehmenden Pässe nicht weit. Bis zu unserem ersten „Hauspass“ (aka. Pragel) sind es gerade einmal 25 Kilometer. Und der ist am Wochenende sogar autofrei! Wenn man andere Regionen erkunden will und gerade keine Zeit für einen Ultra hat (Das wäre immer noch meine Prio A :-)), kommt man vom Zürisee in kurzer Zeit per Bahn auch an den Lago südlich der Alpen.
Die Schweiz – Viel mehr als nur Höhenmeter
Wenn man als Ausländer an die Schweiz denkt, hat man sicher schnell die hohen Berge im Kopf. Gleichzeitig bietet die Schweiz doch soviel mehr als herausfordernde Anstiege. Es ist diese besondere Mischung aus Natur, Freundlichkeit der Menschen und der bestehenden Infrastruktur. Noch immer verwundert es mich, wenn mich Autofahrer freundlich auffordern, die Vorfahrt zu nehmen, obwohl sie sie hätten. Was ich hingegen schon sehr gut annehmen kann, ist die Freundlichkeit der Menschen. Man grüßt sich da draußen einfach und man lächelt sich einfach mal an und so schaue auch ich vorfreudig lächelnd auf das, was da noch kommen mag.
Race Across Switzerland 2025
Nachdem wir im letzten Jahr erstmal hier gelandet sind, steht für dieses Jahr auch unter radsportlichen Aspekten ein näheres Kennenlernen an. Eines der Highlights für mich ist hier das Race Across Switzerland – 1000 Kilometer von Klosters nach Champagne. Auf dem Weg dazwischen gibt es 17.400 Höhenmeter abzuholen und einige der Kollegen von oben werden ihrer „stillen Zeugenrolle“ gerecht. Ob ich dabei in Stille oder im Stöhnen bin, wird sich zeigen. Perfekte Bedingungen und das erste Mal im Leben so etwas wie einen strukturierten Trainingsplan könnten helfen.
Über mich
Martin Lechtschewski
Randonneur & Blogger
Hi, ich bin Martin und das Radfahren ist eine der wichtigsten Konstanten in meinem Leben. Die Faszination für Abenteuer hat mich zunächst zum Radreisen gebracht. Damals rollte ich noch behäbig über Tage bis Wochen mit 40 Kilo Gepäck über die Straßen Europas. Dabei war es immer diese eine Frage, die mich antrieb, weiter in die Pedale zu treten: "Wie ist es wohl auf den Sattel zu steigen und aus eigener Kraft eine anfangs scheinbar unwirkliche Entfernung zu überwinden, hohe Berge zu bezwingen, fremde Länder zu durchqueren und verschiedensten Menschen zu begegnen?"
Heute kann ich sagen, es ist vor allem eine Begegnung mit sich selbst. Der Moment des Starts und das Erreichen des Zieles spielen am Ende nur Nebenrollen - Es geht vor allem um die Wege dazwischen.
Da es der Alttag nicht ohne weiteres zulässt, 5-6 Wochen am Stück auf dem Rad zu verbringen, landete ich schließlich beim Renndradfahren auf langen Strecken mit möglichst wenig Gepäck. Statt einen Monat bin ich dabei nur ein paar Stunden (bisher nicht mehr als 86) unterwegs und tauche schon mit der ersten Pedalumdrehung ins Abenteuer ein. Heute sagt man dazu Ultracycling, vielleicht auch Bikepacking.
Mir geht es um DIE WEGE DAZWISCHEN